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Die Umsiedlung Dobergasts

Georg S. erzählt, dass keiner der Dorfbewohner mit der bevorstehenden Umsiedlung Dobergasts einverstanden war. Der Allmacht des SED-Staates hatten die Einwohner allerdings nichts entgegenzusetzen.

 

Keine Chance!

 

Insbesondere die Bauern waren gegen die Umsiedlung. Sie führten ihre Höfe oftmals seit Generationen in der Familie und hatten sich über die Jahrzehnte eine Existenz geschaffen.

 

Die Bauern sind dagegen!

 

Dobergast besaß eine große Kirche, über deren weiteren Verbleib – nach Herrn S. – niemand wirklich Bescheid weiß.

 

Die Kirche und die Orgel

 

Um sich von seinem Heimatdorf Dobergast zu verabschieden, geht Georg S. zusammen mit seinem Sohn Maik noch einmal spazieren und sieht sich die Gegend zum letzten Mal an.

 

Abschied nehmen

 

(Text: cs; Interview: asm, jw)

Hans Dieter F. (Hohenmölsen)

  • Geboren 1944 in Keutschen
  • Vater: Produktionsleiter im Paraffin-Werk Webau
  • Mutter: Hausfrau
  • Verbringt seine Kindheit in Keutschen und Webau
  • 1967 – 73 wohnhaft in Taucha
  • Seit 1973 wohnhaft in Hohenmölsen
  • Ausbildung zum Ingenieur für Automatisierungstechnik
  • Zusatzstudium zum Ingenieurpädagogen
  • Tätigkeit als Abteilungsleiter Berufsausbildung im Paraffin-Werk Webau
  • 1988 – 2011 Bürgermeister von Hohenmölsen
  • Seit 2011 im Ruhestand
  • Seit 1966 verheiratet
  • Ein Sohn und eine Tochter

(Text: cs)

Georg S. (Dobergast)

  • Geboren 1951 in Dobergast
  • Vater: Steiger, in den 1960er Jahren Bürgermeister von Dobergast
  • Mutter: Hausfrau
  • Ausbildung zum Schlosser
  • 1984 Umsiedlung von Dobergast nach Hohenmölsen-Nord
  • 1969 – 70 Schlosser in der Brikettfabrik Bösau
  • 1970 – 73 Armeedienst
  • 1974 – 84 Dienst bei der Verkehrspolizei in Hohenmölsen
  • 1984 – 89 erneut Schlosser in der Brikettfabrik Bösau
  • 1990er Jahre Tätigkeit als Hausmeister
  • 1979 bis 1986 verheiratet
  • Ein Sohn und eine Tochter

(Text: cs)

Hohenmölsen zwischen dem Ende der DDR und dem wiedervereinten Deutschland

Hans Dieter F. lebt seit Mitte der 1970er Jahre in Hohenmölsen. 1988 wird er Bürgermeister und gestaltet den Übergang der Bergarbeiterstadt von der DDR ins vereinigte Deutschland mit. Zwar war anlässlich der 900-Jahr-Feier der damaligen Kreisstadt Hohenmölsen bereits zu DDR-Zeiten in die Infrastruktur des Ortes investiert worden, doch bis in die 1990er Jahre hinein kämpft die Stadt aufgrund der ringsum liegenden Braunkohlenindustrie mit starken Umweltbelastungen. Dies ändert sich erst durch die politische Wende ab 1989/90 und durch den Rückgang bzw. die ökologischere Nachrüstung der Braunkohlenwerke. 1994 wird beispielsweise das neue Kohlekraftwerk in Wählitz in Betrieb genommen und die Brikettfabriken in Deuben und Bösau schließen.

 

Umweltbelastungen und kaum was los

 

Wenns nachts geschneit hat, war morgens alles schwarz

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Hohenmölsen im Umsiedlungsprozess von Großgrimma

Hans Dieter F. gestaltet den Umsiedlungsprozess von Großgrimma an den Südhang wesentlich mit. Als Bürgermeister von Hohenmölsen ist er vor allem für die Erschließung des neuen Wohngebietes der Bürger aus Großgrimma zuständig. Neben seinem Alltagsgeschäft in der Kommunalverwaltung ist er im projektbegleitenden Ausschuss der Umsiedlung tätig.

 

Die Rolle des projektbegleitenden Ausschusses

Bevor die Erschließung des Südhangs beginnen kann, werden zunächst archäologische Grabungen im zukünftigen Neubaugebiet durchgeführt.

 

Archäologie mit dem Kampfjet

Hans Dieter F. kümmert sich um den Bau der Straßen und andere infrastrukturelle Maßnahmen am Südhang. Die Großgrimmaer werden in die Vergabe der Grundstücke und in die Verhandlungen über die Entschädigungszahlungen eingebunden. Sie werden von Erschließungszahlungen befreit. Die MIBRAG übernimmt beispielsweise die Kosten für den Anschluss an das Fernwärmesystem und das Stromnetz.

 

Zu den Entschädigungszahlungen

Eine besondere Herausforderung stellt die Umsetzung der Friedhöfe nach Hohenmölsen dar.

 

Ein besonders sensibles Thema

Während die Mehrheit der Großgrimmaer Bürger die Entscheidung zur Umsiedlung mitträgt, gibt es auch eine Minderheit, die dagegen ist.

 

Mehrheit und Minderheit

Der projektbegleitende Ausschuss bemüht sich darum, den Bürgern die Ängste vor der Umsiedlung zu nehmen und setzt dabei auf Transparenz und Aufklärung. Im Laufe des Umsiedlungsprozesses beruhigt sich der Protest der Umsiedlungsgegner.

 

Bürgerzeitungen und Ministerbesuche

Als die Entschädigungszahlungen für die Großgrimmaer Bürger im Laufe des Umsiedlungsprozesses bekannt werden, kommt gerade bei den bereits in den 1980er Jahren umgesiedelten Bürgern aus Dobergast oder Queisau, die nun in Hohenmölsen-Nord leben, Ärger auf. Sie fühlen sich im direkten Vergleich mit den Umgesiedelten Großgrimmas schlechter gestellt.

 

Der “Millionenhügel”

Hans Dieter F. spricht als Bürgermeister mit den Einwohnern von Hohenmölsen-Nord und bekommt diese Unzufriedenheit oft zu spüren, die nun – angesichts der besser geplanten und entschädigten Umsiedlung Großgrimmas – ein zweites Mal bei den Umgesiedelten der 1980er Jahre hochkommt. Allerdings legt sich der Ärger nach und nach.

 

Unzufriedenheit in Hohenmölsen-Nord

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Ankunft am Südhang

Am 1. Juli 1998 wird Großgrimma zur Stadt Hohenmölsen eingemeindet. Fast alle ehemaligen Dorfbewohner haben zu diesem Zeitpunkt ein neues Zuhause in Hohenmölsen oder in der Region gefunden.

 

Nur 100 km entfernt

Anfangs ist es für viele Großgrimmaer noch ungewohnt im neuen Zuhause, auch für Sabine M. und ihre Familie.

 

Wie im Hotel

Als die ersten Häuser am Südhang bezogen werden, werden auch die alten Hohenmölsener neugierig und verlegen ihre Sonntagsspaziergänge in das neue Wohngebiet. Dabei kommt es mitunter zu grotesken Szenen.

 

Wie im Zoo

Das neue Zuhause am Südhang verändert das Gemeinschaftsleben der ehemaligen Bewohner Großgrimmas.

 

Nicht mehr so eingekästelt

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Rückblick auf die Umsiedlung Dobergasts

Auch wenn sich der ehemalige Dobergaster Georg S. mittlerweile in Hohenmölsen eingelebt hat, so vermisst er weiterhin das Dorfleben. Gerade die Art und Weise, wie die Umsiedlung über den Willen der damaligen Dorfbewohner hinweg durchgeführt wurde und die – im Vergleich zu den Umsiedlungen nach 1989/90 – niedrigen finanziellen Entschädigungen, verärgern viele ehemalige Dobergaster wie Georg S. immer noch. Auch die verbesserten Wohnverhältnisse in Hohenmölsen-Nord ändern daran nichts.

 

Es ersetzt mein Dorf nicht

 

Selbst seinem Sohn Maik, der die Umsiedlung nur als Kind miterlebte, fehlt das Dorfleben bis heute.

 

Der Sohn will aufs Land

 

Im Vergleich zu den Umsiedlungen von Bösau und Großgrimma nach dem Ende der DDR hätten die Dobergaster lediglich ein “Gardinengeld” erhalten.

 

“Gardinengeld”

 

Auch vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der Braunkohle bewertet Georg S. die Umsiedlung Dobergasts als Fehler.

 

In Anbetracht des Ausstiegs

 

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Dobergast vor der Umsiedlung

Der ehemalige Dobergaster Georg S. beschreibt das Dorf in den 1970er und 80er Jahren vor der Umsiedlung. Die meisten Einwohner seien demnach in der Braunkohle tätig gewesen oder hätten in der Landwirtschaft gearbeitet. Dobergast selbst war weitgehend eigenständig und nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

 

Mit dem Postauto nach Hohenmölsen

 

Schon seit den 1950er Jahren kursierten Gerüchte, dass Dobergast dem Tagebau weichen sollte. Je länger sich die tatsächliche Umsiedlung hinauszögerte, desto weniger Aufmerksamkeit schenkten die Dobergaster allerdings den Gerüchten.

 

Gemunkelt wurde schon

 

Georg S. hat zwei Erklärungen für die erst Jahrzehnte später durchgeführte Umsiedlung Dobergasts und den Abbau der Braunkohle auf dem Gebiet des Dorfes.

 

Die Technik fehlte

 

Republikflucht vereitelt Braunkohlenabbau

 

(Text: cs, Interview: asm, jw)

 

Ankunft in Hohenmölsen-Nord

Viele Dobergaster werden Anfang der 1980er Jahre in die neu entstandene Plattenbausiedlung in Hohenmölsen-Nord umgesiedelt. Das neue Wohngebiet bietet im Vergleich zu den alten Häusern und Wohnungen in Dobergast einige Annehmlichkeiten, wie eine bessere Wärmedämmung, Zentralheizung und fließendes Warmwasser. Vielen ehemaligen Dorfbewohnern wie Georg S. fehlt jedoch das Gemeinschaftsgefühl, das es in Dobergast gab. Entsprechend ambivalent stehen sie ihren verbesserten Wohnverhältnissen gegenüber.

 

In der Anfangszeit entwickelt sich Hohenmölsen-Nord noch relativ separiert vom Rest der Stadt Hohenmölsen. Mit der ursprünglichen Bevölkerung Hohenmölsens hat man deshalb zunächst nicht viel zu tun.

 

Man kannte sich nicht

 

Gerade in der Anfangszeit fühlt sich Georg S. sehr unwohl in seiner neuen Wohnung im Plattenbau in Hohenmölsen-Nord.

 

Dreck und Schlamm

 

Erst mit der Zeit lernt er die Annehmlichkeiten zu schätzen, die die Umsiedlung mit sich brachte. Vor allem das lästige Kohlebriketts-Schleppen entfällt.

 

Briketts bis hier oben

 

Und auch die vielen Geschäfte in Hohenmölsen erhöhen langfristig die Lebensqualität. Nur der Zusammenhalt des alten Dorfes fehlt vielen Dobergastern wie Georg S.

 

Nicht mehr aufs Motorrad

 

(Text: cs; Interview: asm, jw)

Großgrimma vor der Umsiedlung

Bis zum Ende der DDR liegt Großgrimma in einem sog. “Bergbauschutzgebiet”. Das bedeutet, dass das Gebiet im und um den Ort bereits für den Braunkohlenbergbau vorgesehen ist und deshalb von Seiten der öffentlichen Verwaltung nicht mehr in die Infrastruktur investiert wird. Das Straßennetz, die Abwasserentsorgung und die Energieversorgung sind Ende der 1980er Jahre marode, viele Gehöfte sind bereits stillgelegt und auch die Wohnsubstanz ist sanierungsbedürftig.

Das kulturelle und soziale Leben ist jedoch weiterhin intakt. In Großgrimma gibt es einen aktiven Sportverein, einen Kindergarten, eine Schule und Geschäfte für den täglichen Konsumbedarf.

Zur Gemeinde Großgrimma gehören auch die Orte Grunau, Domsen, Mödnitz, Bösau und Deumen.

Sabine M., die spätere Bürgermeisterin von Großgrimma, lebt mit ihrer Familie im Ortsteil Mödnitz und beschreibt ihre damalige Wohnung.

 

Für die damaligen Verhältnisse sehr schön

Aufgrund der materiellen Verhältnisse zu DDR-Zeiten helfen sich die Nachbarn gegenseitig in einer Art Solidargemeinschaft.

 

Auf nachbarschaftliche Hilfe angewiesen

Der politische Umbruch im Zuge der Friedlichen Revolution 1989/90 bringt nicht nur das SED-System zu Fall und ermöglicht die Wiedervereinigung, sondern ändert auch das Gemeindeleben von Großgrimma nachhaltig. Die kommunale Selbstverwaltung tritt 1990 in Kraft und die Gemeinde Großgrimma kann nun erstmals selbst entscheiden, wie sie ihre weitere Zukunft gestalten will. Sabine M. wird die erste demokratisch gewählte Bürgermeisterin nach dem Ende der DDR. Gemeinsam mit dem Gemeinderat wägt sie angesichts der maroden Infrastruktur, der Abwanderung der jungen Generation und der hohen Arbeitslosigkeit in der Gemeinde zwei Optionen für Großgrimma ab: Revitalisierung oder Umsiedlung.

 

Ausgangslage

1992 spricht sich der Gemeinderat Großgrimmas für eine Umsiedlung aus. Innerhalb der Bürgerschaft gibt es unterschiedliche Meinungen dazu. Viele der von Umsiedlung Betroffenen arbeiten in der Braunkohlenindustrie und ihre Arbeitsplätze hängen vom Aufschluss weiterer Tagebaue und damit auch von der Aufgabe von Ortschaften ab. Gleichzeitig wollen sie ihr bisheriges Zuhause nicht verlieren und die Landwirte fürchten den Wegfall ihrer Existenzgrundlage.

 

Zwischen Angst und Hoffnung

Im Anschluss werden zeitlich versetzt zwei Bürgerbefragungen durchgeführt – zum einen vom Bergbauunternehmen MIBRAG und zum anderen vom Planungsbüro für die Umsiedlung. Damit soll geprüft werden, ob der Gemeinderatsbeschluss zur Umsiedlung auch das Votum der Einwohner hat.

 

Zwei Befragungen

(Text: cs, Interiew: asm, jw)