Archiv für Dobergast

Die Umsiedlung Dobergasts

Georg S. erzählt, dass keiner der Dorfbewohner mit der bevorstehenden Umsiedlung Dobergasts einverstanden war. Der Allmacht des SED-Staates hatten die Einwohner allerdings nichts entgegenzusetzen.

 

Keine Chance!

 

Insbesondere die Bauern waren gegen die Umsiedlung. Sie führten ihre Höfe oftmals seit Generationen in der Familie und hatten sich über die Jahrzehnte eine Existenz geschaffen.

 

Die Bauern sind dagegen!

 

Dobergast besaß eine große Kirche, über deren weiteren Verbleib – nach Herrn S. – niemand wirklich Bescheid weiß.

 

Die Kirche und die Orgel

 

Um sich von seinem Heimatdorf Dobergast zu verabschieden, geht Georg S. zusammen mit seinem Sohn Maik noch einmal spazieren und sieht sich die Gegend zum letzten Mal an.

 

Abschied nehmen

 

(Text: cs; Interview: asm, jw)

Hohenmölsen im Umsiedlungsprozess von Großgrimma

Hans Dieter F. gestaltet den Umsiedlungsprozess von Großgrimma an den Südhang wesentlich mit. Als Bürgermeister von Hohenmölsen ist er vor allem für die Erschließung des neuen Wohngebietes der Bürger aus Großgrimma zuständig. Neben seinem Alltagsgeschäft in der Kommunalverwaltung ist er im projektbegleitenden Ausschuss der Umsiedlung tätig.

 

Die Rolle des projektbegleitenden Ausschusses

Bevor die Erschließung des Südhangs beginnen kann, werden zunächst archäologische Grabungen im zukünftigen Neubaugebiet durchgeführt.

 

Archäologie mit dem Kampfjet

Hans Dieter F. kümmert sich um den Bau der Straßen und andere infrastrukturelle Maßnahmen am Südhang. Die Großgrimmaer werden in die Vergabe der Grundstücke und in die Verhandlungen über die Entschädigungszahlungen eingebunden. Sie werden von Erschließungszahlungen befreit. Die MIBRAG übernimmt beispielsweise die Kosten für den Anschluss an das Fernwärmesystem und das Stromnetz.

 

Zu den Entschädigungszahlungen

Eine besondere Herausforderung stellt die Umsetzung der Friedhöfe nach Hohenmölsen dar.

 

Ein besonders sensibles Thema

Während die Mehrheit der Großgrimmaer Bürger die Entscheidung zur Umsiedlung mitträgt, gibt es auch eine Minderheit, die dagegen ist.

 

Mehrheit und Minderheit

Der projektbegleitende Ausschuss bemüht sich darum, den Bürgern die Ängste vor der Umsiedlung zu nehmen und setzt dabei auf Transparenz und Aufklärung. Im Laufe des Umsiedlungsprozesses beruhigt sich der Protest der Umsiedlungsgegner.

 

Bürgerzeitungen und Ministerbesuche

Als die Entschädigungszahlungen für die Großgrimmaer Bürger im Laufe des Umsiedlungsprozesses bekannt werden, kommt gerade bei den bereits in den 1980er Jahren umgesiedelten Bürgern aus Dobergast oder Queisau, die nun in Hohenmölsen-Nord leben, Ärger auf. Sie fühlen sich im direkten Vergleich mit den Umgesiedelten Großgrimmas schlechter gestellt.

 

Der “Millionenhügel”

Hans Dieter F. spricht als Bürgermeister mit den Einwohnern von Hohenmölsen-Nord und bekommt diese Unzufriedenheit oft zu spüren, die nun – angesichts der besser geplanten und entschädigten Umsiedlung Großgrimmas – ein zweites Mal bei den Umgesiedelten der 1980er Jahre hochkommt. Allerdings legt sich der Ärger nach und nach.

 

Unzufriedenheit in Hohenmölsen-Nord

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Rückblick auf die Umsiedlung Dobergasts

Auch wenn sich der ehemalige Dobergaster Georg S. mittlerweile in Hohenmölsen eingelebt hat, so vermisst er weiterhin das Dorfleben. Gerade die Art und Weise, wie die Umsiedlung über den Willen der damaligen Dorfbewohner hinweg durchgeführt wurde und die – im Vergleich zu den Umsiedlungen nach 1989/90 – niedrigen finanziellen Entschädigungen, verärgern viele ehemalige Dobergaster wie Georg S. immer noch. Auch die verbesserten Wohnverhältnisse in Hohenmölsen-Nord ändern daran nichts.

 

Es ersetzt mein Dorf nicht

 

Selbst seinem Sohn Maik, der die Umsiedlung nur als Kind miterlebte, fehlt das Dorfleben bis heute.

 

Der Sohn will aufs Land

 

Im Vergleich zu den Umsiedlungen von Bösau und Großgrimma nach dem Ende der DDR hätten die Dobergaster lediglich ein “Gardinengeld” erhalten.

 

“Gardinengeld”

 

Auch vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der Braunkohle bewertet Georg S. die Umsiedlung Dobergasts als Fehler.

 

In Anbetracht des Ausstiegs

 

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Dobergast vor der Umsiedlung

Der ehemalige Dobergaster Georg S. beschreibt das Dorf in den 1970er und 80er Jahren vor der Umsiedlung. Die meisten Einwohner seien demnach in der Braunkohle tätig gewesen oder hätten in der Landwirtschaft gearbeitet. Dobergast selbst war weitgehend eigenständig und nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.

 

Mit dem Postauto nach Hohenmölsen

 

Schon seit den 1950er Jahren kursierten Gerüchte, dass Dobergast dem Tagebau weichen sollte. Je länger sich die tatsächliche Umsiedlung hinauszögerte, desto weniger Aufmerksamkeit schenkten die Dobergaster allerdings den Gerüchten.

 

Gemunkelt wurde schon

 

Georg S. hat zwei Erklärungen für die erst Jahrzehnte später durchgeführte Umsiedlung Dobergasts und den Abbau der Braunkohle auf dem Gebiet des Dorfes.

 

Die Technik fehlte

 

Republikflucht vereitelt Braunkohlenabbau

 

(Text: cs, Interview: asm, jw)

 

Fazit und Vergleich der Umsiedlungen von Dobergast und Großgrimma

Rückblickend bewertet Hans Dieter F. die Umsiedlung von Großgrimma als gelungen. Die Bürger wurde angemessen entschädigt, der Prozess war sozial verträglich und die Bürger konnten die Umsiedlung mitgestalten. Die ehemaligen Dorfbewohner sind heute in die Gemeinschaft Hohenmölsen integriert und in einer “neuen Heimat” angekommen.

 

“Das Völkchen ist gut zusammengewachsen”

Im Vergleich dazu verliefen die Umsiedlungen von Dobergast, Queisau oder Steingrimma zu DDR-Zeiten vollkommen anders. Die Entschädigungszahlungen waren nicht nur geringer und wurden auf ein Sperrkonto eingezahlt, auf das die Umgesiedelten nur begrenzten Zugriff hatten und das im Todesfall sogar aufgelöst wurde. Vor allem aber wurde die Umsiedlung von oben herab geplant und durchgeführt. Die betroffenen Menschen hatten im Endeffekt kein Mitspracherecht.

 

Menschenunwürdige Umsiedlungen

 

Von oben herab

(Text: cs, Interview: asm, jw)

Dobergast 1982/83

Kurz vor der Umsiedlung Dobergasts nach Hohenmölsen dokumentiert der Bewohner Günter Zippel noch einmal das Dorf mit seiner Fotokamera…

Wohnhaus_Zippel_und_Graefe

Das Wohnhaus der Familie Zippel und Familie Gräfe

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Die Straße zum Kindergarten des Ortes

Postamt_Dobergast

Das Postamt von Dobergast

Pfarrhaus_Dobergast

Das Pfarrhaus der Dobergaster Kirchengemeinde

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Der Ortseingang von Dobergast

Kirche_Dobergast

Die Kirche von Dobergast

Gaststaette_zum_preussischen_Hof_oder_Vier_Akazien

Die Gaststätte “Zum Preußischen Hof” bzw. “Vier Akazien”

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Das alte Schulgebäude von Dobergast

Bauernhof_Familie_Lippert

Der Bauernhof der Familie Lippert

Ortsschild_Dobergast

Günter Zippel rettet schließlich dieses alte Ortsschild von Dobergast, bevor das Dorf vollständig abgerissen wird. Zum alle zwei Jahre stattfindenden Treffen der ehemaligen Dobergaster in Hohenmölsen bringt er es jedes Mal mit.

(Text: cs; Fotos: Günter Zippel)

Dobergast – Ein Dorf zieht um

Dobergast befand sich im Süden des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt, ungefähr 26 km südwestlich von Leipzig. Durch die Erhebung des Erzgebirges und des Vogtlandes war dort vor Millionen von Jahren ein Becken entstanden, in dem sich organisches Material ablagerte. Dieses Becken wurde von Sedimenten überlagert, aus denen sich dann später die Braunkohle bildete und schließlich enormen Einfluss auf das Schicksal des Ortes Dobergast hatte. 1984 musste das Dorf dem Tagebau weichen und die Bevölkerung des Ortes wurde umgesiedelt. Dobergast war nun menschenleer und 881 Jahre Ortsgeschichte fanden ihr Ende.

Für die Dorfbewohner kam der Umzug nicht überraschend. Schon 1950 kursierten erste Gerüchte um einen möglichen Abriss des Ortes. Damals, als zunächst Pirkau und dann später Mutschau, Döbris und Köttichau der Kohle weichen mussten, wusste man, dass auch Dobergast irgendwann von der Landkarte verschwinden würde.

Schon lange vor der Umsiedlung der Dorfbewohner war Dobergast lange Zeit sog. „Bergbauschutzgebiet“. Das heißt, dass die SED-Kreisverwaltung und regionalen Behörden kaum noch in die Infrastruktur des Ortes und die Erhaltung des Wohnraums investierten, da klar war, dass das Dorf der Braunkohlenindustrie in absehbarer Zeit weichen sollte. Wohnungsfenster schlossen nicht mehr richtig, das Mauerwerk verfiel zusehends  und teilweise gab es kein fließendes Wasser. Das Wasser musste man dann mehrere Etagen hoch und wieder hinunter tragen. Deshalb fiel es nicht wenigen Menschen leicht, ihre alte Heimat hinter sich zu lassen, vor allem jungen Familien, die nun ihre eigenen vier Wände in Hohenmölsen-Nord bekamen. Für die Landwirte und die älteren Menschen aus Dobergast war es hingegen oft schwer, sich von ihren Höfen zu trennen, die ihre Familie schon seit Generationen bewohnt und bewirtschaftet hatte. Dementsprechend gab es ganz unterschiedliche Meinungen zum Abriss des Dorfes und zur Umsiedlung der Gemeinde. Die Entwicklung selbst war aber nicht mehr aufzuhalten und an Protest war angesichts der energiepolitischen Schlüsselrolle, die die SED der Braunkohle zu DDR-Zeiten zuwies, nicht zu denken.

Die ehemaligen Dobergaster fanden schließlich in Hohenmölsen eine neue Heimat. Im Norden der Kreisstadt standen ausreichende Neubauwohnungen für sie zur Verfügung. In Hohenmölsen-Nord war für 105 Haushalte des Dorfes eine neue Plattenbausiedlung errichtet worden. Bereits am 23.02.1979 zogen die ersten Mieter in den ersten fertig gestellten Wohnblock ein. Neben Wohnungen wurden auch eine Schule und ein Kindergarten gebaut, damit sich insbesondere junge Familien wohlfühlen konnten.

(am, jw & cs)

Dobergast und Großgrimma heute

Wo einst Dobergast stand, ist heute das Abbaufeld des Tagebaus Profen zu sehen.

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Wo Großgrimma lag, zeugen noch wenige Orte wie das ehemalige Feuerwehrhaus oder der einstige Sportplatz vom damaligen Dorfleben.

Ehemaliges_Feuerwehrhaus_Grossgrimma_minimiert

Ehemaliger_Sportplatz_Grossgrimma_minimiert

(Text: cs; Fotos: jw)

Ein Foto-Streifzug durch Hohenmölsen-Nord

Als das Dorf Dobergast 1984 dem Braunkohlentagebau weichen musste, fanden viele der Bewohner im Norden von Hohenmölsen ein neues Zuhause. Dort war bereits in den 1970er Jahren eine für die DDR typische Plattenbausiedlung errichtet worden, die zum damaligen Zeitpunkt einen enomen Fortschritt im Wohnungsbau bedeutete. Gerade weil Dobergast zum Bergbauschutzgebiet erklärt worden war und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Dorf für die Kohlenförderung abgebaggert wurde, investierte man kaum noch in die Infrastruktur des Ortes. Die Straßen, die Kanalisation und das Stromnetz waren dementsprechend marode. Im Vergleich dazu erschienen die Wohnungen in der Plattenbausiedlung geradezu luxuriös. Zwischen 1979 und 1984 zogen nach und nach ehemalige Bewohner von Dobergast nach Hohenmölsen-Nord. Neben Wohnungen gab es dort eine Turnhalle und einen Sportplatz sowie eine Schule und einen Kindergarten. Das neue Wohngebiet sollte gerade für junge Familien besonders attraktiv sein. Heute sind bereits viele ehemalige Dobergaster weitergezogen. Die Bewohnerzahl in Hohenmölsen-Nord schrumpft. Einige Wohnblöcke wurden mittlerweile sogar abgerissen. Diese Foto-Strecke zeigt die neue Heimat “Hohenmölsen-Nord” der ehemaligen Dobergaster in ihrem heutigen Zustand.

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Blick auf einen der Plattenbaublöcke in Hohenmölsen-Nord.

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Die ehemalige Schule für Kinder aus Dobergast. Heute ist sie die Grundschule von Hohenmölsen-Nord.

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Zwei Kindergärten, die damals erbaut und bis heute genutzt werden.

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Spielplätze für die Kinder in Hohenmölsen-Nord, die mittlerweile erneuert wurden.

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Der damals neu gebaute Sportplatz und die neu errichtete Turnhalle findet man noch heute in Hohenmölsen-Nord.

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Es gibt viele Blöcke, die noch bewohnt sind…

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…, aber auch einige leere…

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und bereits abgerissene. Hier standen bis vor kurzem noch zwei Wohnblöcke.

(Text: cs & jw, Fotos: jw)